„Wir sind für die Wahrheit hier“ –Niklas Frank in der Aula des Gymnasiums Odenkirchen

Am Donnerstag, den 4. April 2019, konnten wir in der Aula des Gymnasiums Odenkirchen einen ganz besonderen Gast begrüßen: Der Journalist und Buchautor Niklas Frank hielt als Zeitzeuge und Buchautor in der 3. und 4. Stunde eine Lesung mit anschließender Diskussion für die Jahrgangsstufe Q2. Ermöglicht wurde der Besuch von Niklas Frank durch die Auszeichnung der Konrad-Adenauer-Stiftung, die das Auschwitz-Projekt des GymOd „Vergangenheit, die nicht vergeht“ im Januar erhalten hatte. Durch die Prämierung mit dem vierten Preis konnte die Veranstaltung finanziert werden. Deshalb haben wir uns natürlich besonders gefreut, dass auch fünf ehemalige Schülerinnen und Schüler aus der Gewinner-Projektgruppe ihren Weg in die erste Reihe der Aula gefunden hatten.

Niklas Frank, geboren 1939, ist der Sohn von Hans Frank, der zwischen 1939 und 1945 Generalgouverneur im von Deutschland besetzten Polen war und als „Schlächter von Polen“ bekannt wurde. Im Nürnberger Prozess wurde er 1946 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Sein Sohn Niklas Frank hat in den letzten Jahrzehnten mehrere Bücher geschrieben, in denen er mit seiner Familie und seiner Vergangenheit abrechnet. Ergänzt durch kurze Erläuterungen las Niklas Frank einige eindrucksvolle Passagen aus seinem 1987 erschienenen Buch „Der Vater. Eine Abrechnung“, welches als Anklageschrift an seinen Vater verfasst ist, und nahm sein Publikum mit auf eine sehr persönliche Reise in die Familiengeschichte: Haft und Hinrichtung des Vaters in Nürnberg. Der Aufstieg des schwachen Vaters, von den Ambitionen der Mutter angetrieben, die es in ihrem Leben zu etwas bringen wollte. Erinnerungen an einen Ausflug mit Mutter und Kinderfrau ins Krakauer Ghetto und in das Außenlager eines Konzentrationslagers. Die frühe Kindheit auf dem Wawel, der Residenz der polnischen Könige in Krakau, in der sich Vater und Mutter als „Burgherr“ und „Königin“ inszenierten. Bilder, die sich Niklas Frank eingeprägt haben und die ihn bis heute nicht loslassen.

Nach jahrelangen akribischen Recherchen, Gesprächen mit Zeitzeugen und ergänzt durch eigene Erinnerungen verfasste Niklas Frank ein Buch voller Zorn, Anklage und Ekel, bei genauem Hinsehen durchzogen mit feiner Ironie und bitterschwarzem Humor. Aufrecht sitzend an seinem Tisch auf der Aulabühne blickte er mit wachen Augen auf sein Publikum, das gebannt zuhörte, als er zum Schluss einen der letzten Briefe seines Vaters an seinen älteren Bruder Norman vorlas. In der anschließenden Diskussion beantwortete er die zahlreichen Fragen aus dem Publikum beeindruckend offen, ausführlich und sehr persönlich. Er erläuterte seine Gründe für die offene Abwendung von seinen Eltern, das Verhältnis zu seinen Geschwistern, berichtete von Anfeindungen als Reaktion auf seine Veröffentlichungen und nahm ebenso Stellung zu aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland.

Seine Bücher seien keine Verarbeitung für ihn, erklärte Niklas Frank seinen Zuhörerinnen und Zuhörern, er müsse mit der Wahrheit, mit seinem Vater und mit zwölf Jahren NS-Diktatur leben. Dass diese Wahrheit ihn jedoch keineswegs zu einem verbitterten und verschlossenen Menschen gemacht hat, war für sein Publikum heute deutlich erkennbar. „Mein Vater hat mir mein Leben nicht versaut“, resümierte Niklas Frank am Schluss der Gesprächsrunde, „ich habe ein glückliches Leben gehabt.“

Auch die RP berichtete über diesen eindrucksvolle Besuch.

(K. Laule)