Am Mittwoch, 19.12.2018, bekam der EF-Philosophie-Grundkurs von Frau Eimanns etwas ungewöhnlichen Besuch: Frau Lemmen von der Jugendgerichtshilfe Krefeld, die auch lange Zeit als Bewährungshelferin tätig war, besuchte die Schülerinnen und Schüler, die sich gegenwärtig mit der Unterrichtsreihe „Gerechtigkeit von Strafen“ beschäftigen, um von ihren Erfahrungen zu erzählen und über den Sinn und Zweck von Strafen (insbesondere bei Jugendlichen) zu diskutieren.
Was ist Strafe? Wann ist sie gerecht? Wer soll bestraft werden? Wann ist eine Strafe sinnvoll? Und welche ist die beste und effektivste Art zu strafen? – Eine Menge komplizierter Fragen, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler im EF-Philosophiekurses von Frau Eimanns bereits seit ein paar Wochen emsig auseinandersetzen. Klare Antworten gibt es nicht wirklich, das wäre in Philosophie ja auch zu einfach, und auch die altbekannten Philosophen, die wie üblich ihren Senf dazugeben, haben ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge. Das Spektrum ist groß genug, Texte wie die von Kant ohnehin kompliziert und die Sachlage ist auch nie die gleiche. Man könnte Stunden, wenn nicht sogar Wochen oder gar Jahre über die obigen Fragen philosophieren, viel interessanter ist es aber, sich die Frage zu stellen, wie die Justiz mit diesen Fragen im Alltag umgeht und sie bewertet. Wie läuft das eigentlich ab? Wer hat seine Finger im Spiel? Und besonders interessant: wie wird mit jugendlichen Straftätern umgegangen? Gibt es da Unterschiede?
Diesen und vielen weiteren Fragen musste sich auch Frau Lemmen von der Jugendgerichtshilfe Krefeld stellen, als sie am 19. Dezember 2018 der Einladung von Frau Eimanns folgte, um sich von dem 10-Mann-starken Kurs löchern zu lassen. Bei Keksen, Mandarinen und Weihnachtsstimmung ging es auch direkt an die Arbeit: nach einer kurzen Vorstellung seitens Frau Lemmen und ihrer Tätigkeit wagten sich die jungen Philosophen an die verschiedenen Stationen des Jugendstrafverfahrens. Der Übersicht diente hierbei ein Flussdiagramm, das die verschiedenen Stationen des Prozesses darlegt (siehe Anhang). Stückchen für Stückchen wurden dann diese Stationen besprochen und oft auch kritisch diskutiert. Besonders im Vordergrund stand dabei die Frage nach dem sinnvolleren Prinzip, Vergeltung oder Prävention, mit dem sich die Schülerinnen und Schüler in der Vorbereitung auf den Besuch schon intensiv beschäftigt hatten. Unterstützend konnte hier Frau Lemmen von ihren Erfahrungen als Bewährungshelferin erzählen. Prävention gehöre schließlich zu ihrer Arbeit dazu, auch, wenn sie nicht immer sinn- und wirkungsvoll sei und ein gewisses Maß an Vergeltung dazu gehöre. Auch viele interessante Fakten und Erfahrungsberichte untermalten gut die verschiedenen Situationen.
„Ist es manchmal schwer, nicht voreingenommen zu sein, wenn man weiss, dass ein Straftäter vor einem sitzt, der vielleicht sogar schon häufiger Straftaten begangen hat, die nicht immer glimpflich ausgegangen sind?“ – diese Frage einer Schülerin sorgte selbst bei der erfahrenen Bewährungshelferin für ein bisschen Zähneknirschen. „Ich versuche stets, ganz neutral zu bleiben. Das ist nicht immer einfach, aber für gewöhnlich gelingt es.“, sagte sie geschickt auf die Frage. Ihr primäres Ziel sei es nämlich nicht, die Jugendlichen zu verurteilen und sie zur
Rechenschaft zu ziehen. Vielmehr suche sie das Gespräch, um die Straftäter zu beraten, Sozialarbeit zu leisten sowie ihre Entwicklung und Besserung zu fördern.
Nach viel neuem Input, ein paar Informationsblättern zur Arbeit der Jugendgerichtshilfe, vielen interessanten Fragen und Geschichten, die nachdenklich machen, war die Stunde dann auch schon wieder vorbei – viel zu schnell, und das in der Schule! Wir blicken auf eine sehr lehrreiche Stunde zurück, die es uns ermöglicht hat, Strafe und Straftäter auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ein weiterer Beleg dafür, dass Philosophie nicht alt, antik und von gestern ist. Philosophie ist überall, wir müssen bloß lernen, die Augen nach ihr offen zu halten.
Unser Dank gilt Frau Eimanns für die Organisation sowie natürlich Frau Lemmen für die ausführlichen Einblicke in einen vielleicht nicht ganz so typischen Beruf. Ein gutes Beispiel für lebendigen Unterricht.