„Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“ – Die Stolperstein-Reinigungsaktion 2020 am Gymnasium Odenkirchen

Kleine, quadratische Messingtafeln. Von Hand eingeschlagene Lettern auf der Oberfläche. Eingefasst in einen Betonwürfel. Niveaugleich im Gehweg eingelassen. Äußerlich ähneln sie einander, doch jeder erzählt von einem anderen Menschen.

Mit Sicherheit ahnst Du schon, wovon die Rede ist, oder?

Stolpersteine sind in Mönchengladbach kein ungewöhnlicher Anblick, wurden seit 2006 doch 295 Stück verlegt. Sie sind Mahnmale, die uns tagtäglich daran erinnern, dass in ihrem unmittelbaren Umfeld einst Menschen lebten, die dem NS-Regime zum Opfer gefallen sind. Wer sich vor ihnen bückt, um ihre Inschriften zu lesen, der erweist den Opfern Respekt, verbeugt sich vor ihnen sinnbildlich.

Anlässlich des anstehenden Gedenktages der Novemberpogrome 1938 (9. November) haben sich mehrere Arbeitsgruppen des Gymnasiums Odenkirchen bereit erklärt, sich dieses Jahr an der Reinigung der Gedenktafeln in Odenkirchen zu beteiligen. Ein kleiner Akt, durch den auch wir Schülerinnen und Schüler den Opfern der NS-Zeit Respekt zollen und ein Zeichen gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten setzen können. Zur gemeinsamen Säuberung haben sich unter anderem der katholische Religionskurs der neunten Klasse von Frau Praas sowie auch am Mittwoch, den 4. November, nach der sechsten Stunde ein paar Q2-SchülerInnen und Schüler unter der Koordination von Frau Laule und Frau Beberok verabredet.

Ausgestattet mit unserem Reinigungsequipment und Arbeitsanweisungen bekamen wir unsere jeweiligen Reinigungsstandorte in der Odenkirchener Innenstadt zugewiesen. Eine knappe Absprache genügte, dann zogen wir auch schon in kleinen Teams los und suchten nach „unseren“ Gedenksteinen. Kaum dass wir an unseren Arbeitsstellen angelangt waren, begannen wir emsig mit der Reinigung der kleinen Gedenktafeln. Da Stolpersteine aufgrund ihrer Lage der Witterung und Verschmutzung stetig ausgesetzt sind, ist es umso wichtiger, sie regelmäßig zu säubern, damit die Inschriften weiterhin leserlich bleiben. Die Reinigung erwies sich als einfach und wirksam – nichts, was man nicht auch selbstständig an anderen Terminen im Jahr erledigen könnte. Es machte Spaß, den Reinigungsprozess zu beobachten, da die Ergebnisse innerhalb von Minuten zu sehen waren. Wir kamen mit unseren Arbeitspartnern ins Gespräch über die kleinen Tafeln, die Namen dahinter und das, was ihnen während der NS-Zeit widerfahren war. Verfolgung, Deportation, Ermordung, Vertreibung – jeder Stein gibt Auskunft über das Schicksal des Menschen, zu dessen Gedenken er in den Gehweg eingelassen worden ist. Mit einem Schwämmchen und einer Essig-Salz-Lösung lösten wir den Schmutz und brachten mit einem Poliertuch und sauberem Wasser die Steine wieder in einen ansehnlichen Zustand. Zum Abschluss legten wir einzelne Rosen neben den Gedenkstätten nieder, als Zeichen unseres Respekts (und auch ein bisschen, damit Passanten den Steinen mehr Aufmerksamkeit widmen). Wir verweilten noch kurz, ehe wir schließlich am Standort Burgfreiheit wieder alle aufeinandertrafen und dort Bekanntschaft mit Herrn Kranz machten.

Herr Kranz ist bereits sehr erfahren im Reinigen von Stolpersteinen – schon seit der Verlegung haben er und seine Frau die Patenschaft für den Stein von Friederike Oberländer und damit auch dessen regelmäßige Instandhaltung übernommen. Heute noch pflegt er intensiven Kontakt zu Friederike Oberländers Tochter, welche in den USA lebt und in der kommenden Woche ihren 102. Geburtstag feiert. Während unseres Gesprächs mit Herrn Kranz säuberten wir diesmal gemeinsam die Stolpersteine der Familie Oberländer und tauschten uns dabei auch über Reinigungstechniken aus. Zufällig erklärten sich auch Männer vom Straßenbau dazu bereit, bei der Reinigung mitzuhelfen, und auch mit ihnen unterhielten wir uns kurzweilig über das Stolperstein-Projekt sowie unsere Reinigungsaktion. Am Ende lächelten wir noch alle freundlich in die Kamera (das sieht man unter den Masken nicht so eindeutig, aber wir haben gelächelt, versprochen), dann trennten sich unsere Wege und wir machten uns nach getaner Arbeit auf nach Hause.

Der Initiator des Stolperstein-Projekts, der Künstler Gunter Demnig, zitiert zur Frage der Namensgebung häufig einen Schüler, der einst über die Steine sagte: „Nein, nein, man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“ Und genau das ist wahrscheinlich entscheidend, wenn wir auf die deutsche Geschichte zurückblicken. Das Stolpern, das uns daran erinnert, dass der Nationalsozialismus überall seine Spuren hinterlassen hat, auch vor der eigenen Haustür. Niemand kann sich hinter der Behauptung verstecken, er hätte von den Verbrechen nichts mitbekommen. Sie waren präsent und sind es immer noch. Es kommen heute noch neue Verbrechen hinzu und es ist an uns, dem Nationalsozialismus die Stirn zu bieten.

Unsere Beteiligung an der Reinigungsaktion war sicherlich nur eine vergleichsweise kleine Tat; am Ende des Tages sind es jedoch die vielen kleinen Taten, die einen Unterschied machen. Es ist entscheidend, dass wir etwas tun. Wir können nicht ungeschehen machen, was unsere Vorfahren getan haben. Aber wir können verhindern, dass sich dieses dunkle Kapitel der Geschichte wiederholt, und die Erinnerung an die Opfer wachhalten.

Du und ich, wir alle.

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Hier noch einmal die Ergebnisse unserer Reinigungsaktion – es hat sich gelohnt! 🙂

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Vielleicht hat Dich diese Aktion ja dazu inspiriert, selbst tätig zu werden und auch einem Stolperstein wieder zu Glanz zu verhelfen. Das ist weder kompliziert noch zeitaufwendig – es macht, wie erwähnt, sogar Freude.

Du benötigst:

  • Einen Schwamm (…die typischen Küchenschwämme mit rauer und feiner Seite sind prima dafür geeignet.)
  • Klares Wasser (…eine gefüllte Trinkflasche Leitungswasser reicht völlig aus.)
  • Ein sauberes Poliertuch
  • Ein Glas mit Essig-Salz-Lösung (…lässt sich ganz einfach zu Hause herstellen, indem man Essig und Salz mischt und mit Wasser verdünnt – das richtige Verhältnis lässt sich durch Probieren herausfinden.)
  • Wenn du möchtest: eine Blume

Die Lösung über den Stolperstein gießen und vorsichtig mit dem Schwamm einarbeiten. Etwa 20 Sekunden einwirken lassen. Anschließend mit dem Schwamm gründlich den Stein reinigen, bis er wieder sauber glänzt. Zum Abschluss mit dem klaren Wasser die Lösung und den verbliebenen Schmutz wegspülen und mit dem Tuch den Messingstein polieren – der Stein ist wieder sauber. 🙂 Optional kannst du natürlich auch noch eine Blume auf dem Stein niederlegen.